Narkolepsie

Die Narkolepsie ist eine Schlafstörung (Dyssomnie) der eine neurologische Erkrankung des Schlaf-Wach-Rhythmus zu Grunde liegt, die sich bevorzugt durch einen starken Schlafdrang, manchmal auch in einem ausgelösten Schlafzwang äußert. In der Abgrenzung zum übermäßigen Schlaf (Hypersomnie) handelt es sich hierbei um eine systemische Störung, die nicht nur durch ein allgemein erhöhtes Schlafbedürfnis, sondern vor allem durch eine tief greifende Störung der Schlafrhythmik charakterisiert ist.

In Deutschland leiden Schätzungen der Deutschen Narkolepsie-Gesellschaft (DNG) zufolge rund 40.000 Menschen unter dieser Erkrankung (Prävalenz: ca. 26-50/100.000 bei einer hohen Dunkelziffer). Auch Kinder sind davon betroffen. Erste klinische Symptome treten jedoch selten vor der Pubertät auf. Der Erkrankungsgipfel wird mit "um das 25. Lebensjahr" angegeben. Dabei verschiebt sich die Symptomatik mit zunehmendem Alter meist von bevorzugt kataplektischen Erscheinungen in der Jugend zu vermehrtem Schlafdrang im fortgeschrittenen Alter. Männer sind geringfügig häufiger betroffen als Frauen. Exakte epidemiologische Studien fehlen allerdings.


Symptome der Narkolepsie

Die Symptomatik wird in vier Bereiche untergliedert, die so genannte narkoleptische Tetrade.
  • Schlafzwang
  • Kataplexien (Verlust der Muskelanspannung)
  • Abnormer Schlafrhythmus
  • Schlaflähmung (Schlafparalyse) mit hypnagogen/hypnopompen Halluzinationen
Als weiteres Symptom, meist jedoch ebenfalls der Schlaflähmung (4) zugerechnet:
  • Automatisiertes Handeln

Die Symptomatik ist individuell sehr verschieden. Kaum ein Narkoleptiker weist alle Symptome in voller Ausprägung auf. Manche leiden nur unter Kataplexien oder andere unter einem Schlafzwang und geringen Kataplexien bei normalem Schlafrhythmus etc. Meist lassen sich geringfühige Ausprägungen der übrigen Symptome erst bei sehr eingehenden Untersuchungen nachweisen. Die uneinheitliche Symptomatik dürfte ursächlich für eine geringe Zahl gesicherter Diagnosen und einer hohen vermuteten Dunkelziffer sein.


Schlafzwang

Der Schlafzwang besteht zum einen in einer ganztägig erhöhten Schläfrigkeit, die phasenweise unwiderstehlich werden kann. Es gibt zudem auch viele Fälle von Schlafzwang in bestimmten auslösenden Situationen. Er äußert sich darin, dass man plötzlich ohne Kontrollmöglichkeit einschläft, wobei der Schlaf zwischen wenigen Sekunden bis zu mehreren Minuten anhalten kann. Ein bekannter Fall ist der eines Kundenberaters bei einer Bank, der zwangsweise, beim kurzen Warten auf die Kreditbeurteilung am Computermonitor einschlief.


Kataplexie

Ähnlich ausgelöst, meist durch starke Emotionen (Freude, Lachen, Verlegenheit, Begeisterung, Ärger...) oder Schreck, sind Kataplexien. Darunter versteht man vorübergehende Muskelerschlaffungen bei wachem Bewusstsein, je nach individueller Ausprägung am gesamten Körper oder nur lokal. Der Patient fällt beispielsweise in sich zusammen oder kann Dinge für einige Sekunden nicht mit der Hand festhalten, lässt den Kopf hängen, spricht undeutlich oder fängt an zu schielen. Im extremen Fall fällt der Narkoleptiker ganz einfach hin, ohne dass er den Fall lenken kann. Dies ist mit der Gefahr von schweren Verletzungen und Folgeunfällen verbunden.


Abnormer Schlafrhythmus

Der dritte Symptomkreis besteht in einem abnormen Schlafrhythmus (beispielsweise 4 Stunden wach, 4 Stunden Schlaf, usw. tags und nachts), sowie in verschobenen REM-Phasen (Traumschlaf-Phasen), die untypisch dem traumlosen Schlaf voraus gehen. Dadurch können beim Einschlafen Wach- und Traumvorstellungen vermischt werden und zu sog. hypnagogen (dem Schlaf vorausgehenden) Halluzinationen führen.

Der nächtliche Schlaf ist auch dann gestört, wenn der Betroffene den üblichen Bettrhythmus einhält. Die Abbildung zeigt zwei nächtliche Schlafprofile einer narkoleptischen Patientin über jeweils 8 Stunden. Man sieht einen zerrissenen, fragmentierten Schlaf, der die Schlafzyklen nur ansatzweise erkennen lässt. Besonders eindrücklich ist, dass sich über verschiedene Nächte keine einheitlichen Muster erkennen lassen. Die Fraktierung ist in jeder Nacht anders. Die Betroffenen empfinden den Schlaf meist als wenig erholsam.


Schlaflähmung / Schlafparalyse

Der vierte Symptomkreis sind Schlaflähmungen. Beim Schlafbeginn oder beim Aufwachen tritt plötzlich eine Lähmung der Körpermuskulatur ein. Diese nennt man Schlafparalyse (Schlaflähmung). Der Betroffene nimmt seine Umgebung wahr, kann sich jedoch nicht bewegen. Entgegen Kataplexien können Schlafparalysen durch Berühren des Körpers unterbrochen werden.

Im Traum- bzw. REM-Schlaf und beim Aufwachen unterliegt die Muskulatur des Betroffenen der tiefschlaf- und REM-schlaftypischen Kontrolllosigkeit, obwohl der Betroffene eigentlich nicht schläft (ähnlich wie bei der Kataplexie, nur eben durch Müdigkeit und Schlaf, statt durch Emotionen ausgelöst). Willentliches Aufwachen und Aufstehen ist dadurch extrem erschwert bzw. für die Dauer der Schlaflähmung nicht möglich.

Das Gehör ist während der Schlaflähmung nicht ausgeschaltet. Die aufgenommenen Geräusche und Gespräche werden jedoch traumähnlich verarbeitet. So kann z.B. das Regengeräusch zu einem Wasserfall werden.


Automatisiertes Verhalten

Beim automatisiertes Verhalten werden nur motorisch Tätigkeiten ausgeführt, die man bewußt nicht steuern kann. Mitten in einer Handlung schläft der Narkoleptiker ein und führt diese im Schlaf fort. Es besteht erhöhte Unfall- oder Verletzungsgefahr.


Ursachen / Ätiologie der Narkolepsie

In ihrer Ausprägung zwischen den verschiedenen Symptomen unterliegt die Narkolepsie großen individuellen Schwankungen. Der eigentliche Grund für Narkolepsie ist unbekannt. Untersuchungen lassen die Hypothese immer wahrscheinlicher werden, dass Zentren im Gehirn beteiligt sind, die für die Steuerung des Wach-Schlaf-Rhythmus zuständig sind (Hypothalamus, Suprachiasmatischer Nucleus). Neuere Ergebnisse weisen auf einen Verlust der sog. Hypocretin/Orexin-Zellen im Hypothalamus hin.

Eine erbliche Komponente ist wahrscheinlich, da etwa 95% aller Narkoleptiker einen Blutfaktor aufweisen (HLA-DR2 positiv), den in der übrigen Bevölkerung nur etwa 25% aller Menschen haben. (Nicht der Blutfaktor selbst scheint ursächlich zu sein, sondern sein Genlocus ist dem der hypothetischen Narkolepsieursache wahrscheinlich nahe benachbart.)


Therapie der Narkolepsie

Narkolepsie ist bis heute nicht heilbar. Die Tagesmüdigkeit kann aber durch Wirkstoffe wie Methylphenidat (Ritalin®,Concerta®) oder das modernere Modafinil (Vigil®, Modasomil®(CH)) teilweise gemildert werden. Kataplexien/Schlaflähmungen können je nach Patienten mit trizyklischen Antidepressiva oder den neueren Produkten wie Fluoxetin (Fluctin®, Fluctine®(CH)), (Prozac® in den Vereinigten Staaten) oder anderen SSRI Produkten behandelt werden. Am 13. Oktober 2005 wurde der Wirkstoff 4-Hydroxybutansäure-Natriumsalz (Natriumoxybat) (Xyrem®) für die Behandlung der Kataplexie bei erwachsenen Patienten mit Narkolepsie in der gesamten Europäischen Union zugelassen. Es soll auch günstig auf die Tagesschläfrigkeit wirken. Dieses Medikament ist aber zunächst als raschwirkendes Hypnotikum wirksam und schwer zu handhaben, u.a. wegen erheblicher Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Nach mehrwöchiger Anwendung sollen sich dann die lindernden Wirkungen auf die Symptome der Narkolepsie einstellen.

Neue Erkenntnisse um die Pathologie des Hypocretin/Orexin Systems könnten neue Möglichkeiten der Behandlung eröffnen.

Die Narkolepsie geht nicht mit einer psychischen Störung oder mentalen Minderleistung einher. Die Patienten bleiben psychisch unauffällig, werden aber häufig als Schlafmützen, Simulanten oder Faulpelze angefeindet. Eine sachliche Information des sozialen Umfeldes über dieses Handicap ist deshalb dringend geboten.

Diese Anfeindungen bzw. Probleme im Tagesablauf können aber auch zu Depressionen und/oder sozialer Phobie führen. Die Betroffenen ziehen sich u. U. zurück und haben dadurch auch weniger soziale Kontakte. Wichtig ist, dass das unmittelbare Umfeld des Erkrankten die Krankheit akzeptiert und berücksichtigt. Dazu gehören auch die Akzeptanz von Schlafpausen u.ä.

Die Situation des Patienten kann durch die Wahl eines geeigneten Arbeitsplatzes, an dem er mit seiner Störung besser zurecht kommt, erheblich erleichtert werden. Je nach individueller Ausprägung der Symptomatik empfiehlt sich z.B. Bürotätigkeit anstatt einer Tätigkeit an beweglichen Maschinen, wenn Kataplexien zu fatalen Fehlbedienungen führen könnten. In anderen bekannten Fällen lösen gerade bestimmte Bürotätigkeiten (Bildschirmbeobachtung) eine Zwangsschlaf-Attacke aus, die wie im Fall eines Bankberaters im direkten Kundenverkehr nicht tolerierbar war.

Narkolepsie kann die Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit stark einschränken und kann in extremen Fällen den Schwerbehinderten-Status bis hin zur Erwerbsunfähigkeit begründen. Information und Hilfe bieten die unten verlinkten Narkolepsie-Gesellschaften mit ihren Selbsthilfegruppen.